Unterschied Soll- und Ist-Besteuerung

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Unterschied Soll- und Ist-Besteuerung

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Kategorie:Grundlagen

Was ist der Unterschied zwischen Soll- und Ist-Besteuerung in der Umsatzsteuer?

Die beiden Begriffe zielen auf die unterschiedliche Entstehung der Umsatzsteuer ab, sind also mit der Frage verbunden: „Wann muss ich als Unternehmer einen Umsatz versteuern und die Umsatzsteuer an das Finanzamt abführen?“.

Wann entsteht die Umsatzsteuer normalerweise?

Die Umsatzsteuer entsteht im Regelfall mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Leistungen ausgeführt worden sind. Siehe auch hierzu die gesetzliche Grundlage der Steuerentstehung: § 13 Abs. 1 Nr. 1a Umsatzsteuergesetz (UStG). Die Rechnungsstellung spielt hierbei keine Rolle.

Soll-Besteuerung

Der Regelfall ist also die Soll-Besteuerung. Die Art der Besteuerung nennt man in der Umsatzsteuer auch Berechnung der Steuer nach vereinbarten Entgelten.

Es ist also zunächst irrelevant:

  1. ob der Leistungsempfänger bezahlt hat,
  2. ob der Leistungsempfänger den Rechnungsbetrag gekürzt hat,
  3. ob überhaupt eine Rechnung gestellt wurde.

Der Zeitpunkt der Leistung ist also entscheidend. Bei Lieferungen ist es der Zeitpunkt, in dem der Empfänger den Gegenstand erhalten hat (sogenannte Verfügungsmacht). Im Falle von Dienstleistungen, umsatzsteuerlich sonstige Leistungen genannt, ist die Vollendung der Arbeiten der ausschlaggebende Zeitpunkt.

Bei der Höhe der Bemessungsgrundlage wird auf das Entgelt abgestellt, welches vorher vereinbart wurde (Angebot, Vertrag, Stundenlohn etc.) und dem Vertragsverhältnis zugrunde liegt.

Beispiel:

Firma Immergrün Gartenbau GmbH hat bei der Familie Huber den Vorgarten gepflegt. Die Arbeiten sind im Mai vollständig erledigt worden. Vereinbart waren 10 Arbeitsstunden á 39,-  EUR netto.

Da im Frühjahr/Sommer immer viel zu tun ist, hat die Firma die Rechnung erst im Juli gestellt. Familie Huber war nicht ganz mit den Arbeiten zufrieden und kürzt die Rechnung um 10%. Der Betrag in Höhe von 417,69 € wird im August per Überweisung beglichen.

Wann wird der Umsatz besteuert (Entstehung der Umsatzsteuer)?

Die Leistung ist vollständig im Mai erbracht worden. Bei der Bemessungsgrundlage ist das vereinbarte Entgelt in Höhe von 10x 39 € = 390 € maßgebend. Auch wenn die Rechnung erst später erstellt wurde, ist die Umsatzsteuer 19% auf 390 € = 74,10 € mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums Mai entstanden. Eine berechtigte Kürzung des Entgelts ist als Änderung der Bemessungsgrundlage erst bei Zahlung gesondert zu prüfen und ggf. eine Berichtigung durchzuführen.

Alternative zur Soll-Besteuerung

Die Alternative zur Soll-Besteuerung ist die Ist-Besteuerung nach § 20 Umsatzsteuergesetz (UStG).

Ist-Besteuerung: Was ist das?

Auf Antrag kann dem Unternehmer gestattet werden, die Umsätze nach vereinnahmten Entgelten zu versteuern. Es ist also nur relevant, was der Unternehmer tatsächlich an Geld bzw. Entgelt erhalten hat.

Alternative Lösung zum Beispiel oben:

Der Unternehmer hat vom Finanzamt die Genehmigung zur Versteuerung nach vereinnahmten Entgelten zum 01.01. des Jahres erhalten. Im Beispiel überweist die Familie Huber nur 417,69 € statt der ursprünglich vereinbarten 464,10 € (10x 39,- € = 390 € + 19%)  insgesamt. Dies ist der Bruttobetrag, einschließlich 19% Mehrwertsteuer.

Wann wird der Umsatz besteuert?

Vereinnahmt wurde das Entgelt erst im August. Somit muss der Unternehmer auch erst mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums August die Besteuerung vornehmen. Die Umsatzsteuer beträgt 19%. Die Bemessungsgrundlage ist das Entgelt, also der Zahlbetrag ohne Umsatzsteuer (417,69 € x 100/119 = 351 €). 19% von der Bemessungsgrundlage ist somit 351 € x 19% = 66,69 €.

Vorteile der Ist-Besteuerung

Gerade kleinere Betriebe sind besonders belastet, wenn ein großer Auftrag erledigt ist, die Zahlung aber ausbleibt. Die Umsatzsteuer entsteht und ist abzuführen, obwohl noch kein einziger Euro auf dem Konto eingegangen ist. Dies bedeutet möglicherweise sogar Liquiditätsprobleme.

Bei Anwendung der Ist-Besteuerung bezahlt der Unternehmer die Umsatzsteuer also nur dann, wenn auch wirklich das Geld erhalten hat. Er muss die Umsatzsteuer nicht, ggf. für einen längeren Zeitraum, „auslegen“. Auch bezahlt er nur Umsatzsteuer auf tatsächliche Entgelte. Eine Rechnungskürzung oder Zahlung eines Teilbetrags wirkt sich auch auf die Umsatzsteuer aus.

Ebenso problematisch bei der Soll-Besteuerung sind sogenannte Forderungsausfälle. Zahlt der Leistungsempfänger nicht oder ist er gar zahlungsunfähig, dann hat der Unternehmer zwar die Leistung bereits versteuert, eine Berichtigung ist aber ohne entsprechende Nachweise nicht ohne weiteres möglich. Die Berichtigung erfordert daher Nachweise über den endgültigen Forderungsausfall. Dies können Belege über eine fruchtlose Pfändung nach gerichtlichem Mahnbescheid sein oder auch Insolvenzbekanntmachungen. Unternimmt der leistende Unternehmer hier nichts, dann kann es problematisch sein. Er versteuert Umsätze, für die er vielleicht nie mehr das Geld sieht.

Voraussetzungen für Ist-Besteuerung

Die Voraussetzungen sind hier im Gesetz normiert und betreffen drei Arten von Unternehmern:

  1. Unternehmer mit einem Gesamtumsatz unter 500.000 € im vorherigen Kalenderjahr
    (Gesamtumsatz ist definiert in den Vorschriften zur Kleinunternehmerregelung) oder
  2. Unternehmer, die nicht verpflichtet sind den Gewinn mittels Bilanz (Betriebsvermögensvergleich, Verpflichtung Bücher zu führen und regelmäßige Abschlüsse auf Grund jährlicher Bestandsaufnahmen) oder
  3. freiberuflich tätig sind (u.a. sogenannte Katalogberufe wie Ärzte, Journalisten, Rechtsanwälte usw.)

Es reicht bereits aus, dass hier eine Voraussetzung erfüllt ist.

Wie kann ich die Ist-Besteuerung anwenden?

Wenn der Unternehmer eine der oben genannten Voraussetzungen erfüllt, dann kann das Finanzamt auf Antrag die Berechnung der Umsatzsteuer nach vereinnahmten Entgelten gemäß § 20 UStG gestatten.

Es reicht hier ein formloser Antrag. Zu beachten ist jedoch, dass zunächst die Genehmigung durch das Finanzamt schriftlich vorliegen muss. Keine Genehmigung = keine Ist-Besteuerung. Allerdings ist hier der Ermessensspielraum des Finanzamts eng begrenzt und im Regelfall wird die Genehmigung erteilt.

Die Genehmigung gilt grundsätzlich nur für das gesamte Kalenderjahr, da die sogenannte Abschnittsbesteuerung gilt. Unterjährig einen Wechsel vorzunehmen ist daher nicht möglich. Dies gilt natürlich nicht bei Neugründungen.

Beantragung Umsatzsteuer-Identifikationsnummer im Fragebogen zur steuerlichen Erfassung (Gründung)

Beantragung Umsatzsteuer-Identifikationsnummer

Die andere Möglichkeit ist der Antrag direkt nach Neugründung auf dem Fragebogen zur steuerlichen Erfassung. Die Ist-Besteuerung wird auf dem Fragebogen gleich über dem Thema Beantragung einer Umsatzsteuer-Identifikationsnummer abgefragt. Auch hier folgt als einer der nächsten Schritte die schriftliche Genehmigung durch das Finanzamt.

Was ist bei einem Wechsel von Ist- auf Soll-Besteuerung (und umgekehrt) zu beachten?

Ein Wechsel kommt grundsätzlich nur zum 01.01. eines Jahres in Betracht. Hier sind die Besonderheiten der unterschiedlichen Entstehung zu berücksichtigen. Der Unternehmer muss sicherstellen, dass Umsätze nicht doppelt erfasst werden oder gar unversteuert bleiben.

Wechsel auf Ist-Besteuerung

Beim Wechsel auf die Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten muss sichergestellt sein, dass bei Zahlung ein Umsatz nicht zusätzlich versteuert wird, da ja schon vorher bei der Soll-Besteuerung bei Leistungsausführung die Steuer entstanden und ggf. abgeführt worden ist.

Wechsel auf Soll-Besteuerung

Da bei einer möglichen Umstellung auf die Besteuerung nach vereinbarten Entgelten ein späterer Zahlungszufluss unerheblich ist, müssen noch nicht bezahlte, aber ausgeführte Leistungen, der Besteuerung unterworfen werden.

Foto/Beitragsbild: martaposemuckel / Pixabay


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