Allphasen-Netto-Umsatzsteuer
Kategorie:Grundlagen
Allphasen – Netto – Umsatzsteuer mit Vorsteuerabzug, was heißt das?
Bedeutung
Der zugegebenermaßen sperrige Begriff der „Allphasen-Netto-Umsatzsteuer mit Vorsteuerabzug“ beschreibt das in Deutschland aktuell angewandte Mehrwertsteuersystem, welches im Einklang mit der EU-Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie (MwStSystRL) steht.
Obwohl in der Bundesrepublik de facto eine Mehrwertsteuer existiert, bezeichnet man sie rechtlich zutreffend als Umsatzsteuer. Im ergänzenden Artikel zur der Frage: „Was ist der Unterschied zwischen Umsatzsteuer und Mehrwertsteuer?“ finden Sie mehr dazu.
Was heißt das nun konkret?
Allphasen-Netto-Umsatzsteuer mit Vorsteuerabzug
Allphasen
Die Besteuerung ist grundsätzlich über alle Phasen einer Wertschöpfungskette gleich. Jeder Beteiligte unterliegt den gleichen Regeln. Die Beteiligten sind beispielweise der Zulieferer, der Hersteller und Groß- sowie Einzelhändler. Ein Endkunde, der Konsument, spielt hier eine besondere Rolle. Dazu unten mehr.
Netto
Das Wort „netto“ kommt aus dem italienischen und bedeutet so viel wie „rein“. Also eine Betrachtungsweise, wo ein störender Faktor des Ganzen, des „Brutto“, außen vor bleibt. Hier also ist die Umsatzsteuer an sich der Faktor, der außen vor bleibt. Für den Unternehmer bleibt die Umsatzsteuer grundsätzlich neutral, er betrachtet nur den Nettobetrag einer Leistung.
Umsatzsteuer
Dennoch wird hier der ganze Umsatz besteuert. Eine reine Umsatzsteuer würde den Unternehmer steuerlich belasten. Daher braucht es eines weiteren Instruments, welches dafür sorgt, dass sich die Umsatzsteuer neutral verhält und nur der Mehrwert steuerliche Folgen hat. Dies wird durch einen möglichen Vorsteuerabzug gewährleistet.
Vorsteuerabzug
Der Vorsteuerabzug ist ein Vorgang, bei dem ein Unternehmer die auf der an ihn gerichteten Rechnung ausgewiesene Umsatzsteuer vom Finanzamt zurück erhält, bzw. dadurch seine Umsatzsteuerschuld mindert. Ein Unternehmer zahlt also Umsatzsteuer an seinen Lieferanten oder Dienstleister (der sie an das Finanzamt abführt), erhält diese aber grundsätzlich in gleicher Höhe zurück bzw. verrechnet sie mit der zu zahlenden Umsatzsteuer.
Beispiel
Wertschöpfungskette und Umsatzsteuer am Beispiel einer Motorradhebebühne
Herr Müller kauft beim Einzelhändler Bike-and-More GmbH eine kleine und günstige Motorradhebebühne* für Hobby-Arbeiten an seiner Yamaha zu einem Kaufpreis von 100 €. Der Einzelhändler kauft das Gerät bei seinem Großhändler Hub-und-Schub AG für 75 €. Dieser wiederum bezieht sein Produkt vom Hersteller Hydraulik GmbH & Co. KG für 60 €. Der Hersteller benötigt hauptsächlich Bleche und Stahl, er setzt auf den regionalen Anbieter Stahlschmiede-Bayern GmbH, der nur 15 € für das Material in Rechnung stellt.
Die genannten Beträge sind Brutto-Beträge, also einschließlich 19% Umsatzsteuer. Diese wird auf den Rechnungen ausgewiesen, also explizit berechnet und in der Rechnung genannt sowie schlussendlich auch von den Beteiligten bezahlt.
Schauen Sie sich einmal das folgende Schaubild an, auf dem Sie sehen wie sich die Steuerbelastung auf die einzelnen Unternehmer verteilt:
Wie Sie sicherlich erkannt haben, versteuert ein jeder Unternehmer in der Kette nur den Teil, für dessen „Wertschöpfung“ er verantwortlich ist. Für jede Lieferung bleibt lediglich die Umsatzsteuer „hängen“, welche auf seinen „Gewinn“ (Rohgewinn) entfällt, im Bild orange dargestellt.
Abführung der Umsatzsteuer an das Finanzamt
Um beim vorhergehenden Beispiel zu bleiben: Wir betrachten den Einzelhändler Bike-and-More GmbH. Dieser vereinnahmt auf der einen Seite 100 € (inkl. 15,97 € Umsatzsteuer = USt) vom Kunden Müller. Aber er hat auch Kosten für die Ware in Höhe von 75 € (inkl. 11,97 € USt), die er an den Großhändler Hub-und-Schub AG zahlt.
Die darauf entfallenden erhaltenen Umsatzsteuerbeträge muss er an das Finanzamt abführen, bzw. er kann die gezahlte Umsatzsteuer als Vorsteuer geltend machen und damit seine Steuerlast mindern. Er zahlt im Ergebnis nur die Umsatzsteuer, die auf seinen Brutto-Rohgewinn von 25 € (inkl. 4 ,00 € USt) entfällt.
Dargestellt ist die Zahllast gegenüber dem Finanzamt auf dem folgenden Schaubild (klick auf das Bild zum Vergrößern):
Wer ist denn nun genau belastet?
Es wurde ja immer wieder erwähnt, dass der Unternehmer nicht belastet sei. Ein Unternehmer muss aber nach den obigen Ausführungen doch etwas an das Finanzamt zahlen? Er ist nur tatsächlich mit dem Betrag belastet, der auf seine Wertschöpfung entfällt? Wieso dann Allphasen-Netto-Umsatzsteuer?
Wer sich das oberste Schaubild erneut anschaut, der wird feststellen, dass die Umsatzsteuer letztlich auf den Nettopreis (= den eigentlichen Wert für den Emfänger der Ware) aufgeschlagen wird. In jeder Stufe von rechts nach links steigt die Umsatzsteuer für die Lieferung, jeder Unternehmer führt effektiv nur den Betrag ab, der bei ihm „hängen“ bleibt. Belastet bleibt unter dem Strich der letzte in der Kette, der keinen Vorsteuerabzug hat, nämlich der Endverbraucher. Das ist systemgerecht und gewollt. Das ist das Ziel dieses Mehrwertsteuersystems.
Die Unternehmer in der Kette führen nur den Teil der gesamten Umsatzsteuer ab, der auf ihre Wertschöpfung entfällt. Gezahlt hat es aber der Verbraucher Herr Müller in einem Betrag beim Kauf vom Einzelhändler Bike-and-More GmbH.
Betrachten Sie auch das folgende Schaubild:
Was unterscheidet die Umsatzsteuer von anderen Steuerarten?
Dadurch, dass der eigentliche Steuerzahler der Endkunde bzw. Verbraucher ist, der die Steuerlast trägt, diese Steuer aber von dem Unternehmer in der Wertschöpfungskette abgeführt wird, klassifiziert man die Umsatzsteuer auch als indirekte Steuer.
Es ist von der Gestalt her auch eine Verbrauchssteuer, denn der Verbraucher „zahlt“ sie. Oder auch Verkehrssteuer, da sie erst dann entsteht, wenn die Lieferung oder Leistung „in den Verkehr“ gebracht wird.
Was hat es für Folgen, dass der Unternehmer für seinen Abnehmer die Steuer abführt?
Die einbehaltene Umsatzsteuer ist für den Abnehmer vereinnahmt und damit „durchlaufender Posten“, bleibt also nicht beim Unternehmer hängen. Gerade in Fällen, wo die Umsatzsteuer zwar in die Tasche des Unternehmers fließt, dann aber nicht an das Finanzamt weitergeleitet wird, kann es zu strengeren Maßstäben führen, wenn es um Maßnahmen wie Stundung von Steuerbeträgen oder Haftungsfragen bei Steuerausfall geht. Den Unternehmer trifft hier ein höheres Verschulden, wenn er die Beträge zunächst rechtswidrig nicht abführt und sie dann wegen fehlender Liquidität auch nicht zahlen kann.
Führt in jedem Fall der Unternehmer die USt an das Finanzamt ab, der die Leistung erbringt?
Grundsätzlich zahlt immer der der Leistende, der die Lieferung oder die sonstige Leistung erbracht hat. Es gibt im Umsatzsteuerrecht aber einige Ausnahmen. So gibt es das sogenannte ‚reverse-charge‘ Verfahren, bei dem der Leistungsemfänger die Steuer abführen muss (bspw. Bauleistungen). Auch bei steuerfreien ‚innergemeinschaftlichen Lieferungen‘, für die der Unternehmer eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer benötigt, ist der Leistungsemfänger = Erwerber für die Versteuerung verantwortlich.
Gibt es auch Fälle, wo Privatpersonen Umsatzsteuer abführen müssen?
Beim Sonderfall „innergemeinschaftlicher Erwerb neuer Fahrzeuge“ müssen auch Privatpersonen eine Lieferung als Leistungsemfänger versteuern. Das Verfahren nennt sich Fahrzeugeinzelbesteuerung.
(Artikel in Arbeit, Hinweise vom Bayerischen Landesamt für Steuern: Fahrzeugeinzelbesteuerung)
1 Kommentar
Alexandros Hatzopulos
31. Oktober 2018 an 3:01 amGuten Tag,
Sie haben einen Tippfehler bei dem Bild „Der Verbraucher Zahlt die Zeche“ (3/3) gemacht. Sie haben bei den Steuern für den Hersteller 9,58€ eingetragen. Diese 9,58€ sind jedoch die 19%USt. von den 50,15€ Nettokosten für das Produkt. Somit ergibt Ihr Ergebnis Ihre Rechnung (2,39€+9,58€+2,39€+4€=18,39€), dies ist jedoch falsch.
Die 9,58€ in der Rechnung müssen mit dem richtigen Ergebnis (7,19€) ersetzt werden. Somit macht dies dann ein Summe von 15,97€ (2,39€+7,19€+2,39€+4€=15,97€)
Mit freundlichen Grüßen
Alexandros Hatzopulos